Michael Espendiller (AfD) „Wir brauchen einen Kurswechsel“
Deutlich weniger Schulden möchte die Bundesregierung im kommenden Jahr machen. Es sei wichtig, sich endlich wieder an die Schuldenbremse zu halten, erklärt Michael Espendiller im Interview. Kritik am Haushaltsentwurf 2023 hat er trotzdem.
Jedes Jahr im September beraten die Parlamentarier, wofür die Bundesregierung im kommenden Jahr Geld ausgeben darf. Die Bundesregierung hat dazu einen Vorschlag vorgelegt. Wo soll es im Vergleich zu diesem Jahr die größten Veränderungen geben?
Die wichtigste Veränderung im Haushalt 2023 ist, dass der Bund wieder die Schuldenbremse einhalten will, die im Grundgesetz festgelegt ist. In den letzten drei Jahren hat die Bundesregierung hohe Schulden gemacht und dafür eine Ausnahmeregel genutzt. Nun soll die Kreditobergrenze des Grundgesetzes wieder eingehalten werden.
Zwar werden einige rechnerische „Tricks“ verwendet, um sich an diese Grenze halten zu können (so hat der Bundestag beispielsweise unter dem „Dach“ der Corona-bedingten Ausnahme von der Schuldenobergrenze im Haushaltsjahr 2022 mit einer Grundgesetzänderung das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr verabschiedet, was von Bundesrechnungshof und Verfassungsrechtlern gleichermaßen kritisiert wurde) – aber immerhin! Die Schuldenbremse zu berücksichtigen, ist für die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates sehr wichtig.
Allerdings befürchte ich, dass es dabei nicht bleiben wird. Denn der Wille zum Sparen ist in der Ampelkoalition aus unserer Sicht leider nicht vorhanden. Und die finanziellen Belastungen werden für den Staat und die Bürger noch steigen, wenn die aktuelle Energie- und Außenpolitik so fortgesetzt wird. Es ist ganz klar: Wir brauchen einen entschiedenen politischen Kurswechsel, sonst werden die Bürger dieses Landes einen hohen Preis für die derzeitige Politik der Bundesregierung zahlen müssen – wortwörtlich.
Und wo erwarten Sie den größten Streit in der aktuellen Haushaltswoche?
Bei der Energie- und Außenpolitik. Durch falsche politische Weichenstellungen hat sich Deutschland in eine fatale Energieabhängigkeit von Russland begeben. Daran waren alle Parteien beteiligt, die im Bundestag vertreten sind – abgesehen von der AfD.
Ich habe den Eindruck, dass keiner so gern an die Fehler von gestern erinnert wird und sie sich schon gar nicht eingestehen möchte. Aber wenn man sich Fehler nicht eingesteht, kann man nicht aus ihnen lernen und ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Auf diesem Weg befinden sich gerade sowohl die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP als auch die CDU/CSU.
Was müsste denn Ihrer Meinung nach anders gemacht werden?
Es werden derzeit nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen. Richtig wäre es, Kernkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen oder weiterlaufen zu lassen. Außerdem wäre es wichtig, sich vom Kohleausstieg zu verabschieden und die Erdgaspipeline Nordstream 2, die von Russland nach Deutschland verläuft, in Betrieb zu nehmen.
Ergreifen wir diese Maßnahmen nicht, wird das zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führen. Viele Menschen werden ihre Arbeitsplätze verlieren und Werke werden geschlossen werden. Das wird einen allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang mit sich bringen, der uns vor kaum mehr lösbare Aufgaben stellen wird.
Die Bundesregierung will 2023 immerhin noch für 17,2 Milliarden Euro Kredite aufnehmen. Ein Grund zur Sorge für junge Leute?
Dies ist nicht nur ein Grund zur Sorge für junge Leute, sondern für alle Bürger. Jeder kennt das aus seiner eigenen Haushaltsführung: Wer sich Geld leiht oder Kredite aufnimmt, muss diese zurückzahlen und obendrauf kommen auch noch Zinsen. Und dieses Geld steht dann eben nicht mehr für Entlastungen der Bürger oder andere sinnvolle Maßnahmen zur Verfügung. Das ist beim Staat nicht anders. Das heißt, der Topf wird für alle kleiner. Ich habe nie verstanden, warum dies ausschließlich als Problem für junge Leute adressiert wird. Es betrifft uns alle.
Sie haben in einer Rede im Bundestag den Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung kritisiert, obwohl dieser gesenkt wird. Was genau kritisieren Sie?
Grob gesagt zwei Dinge: Erstens die mangelnde Transparenz, wenn es darum geht, wo welche Geldmittel wie zum Einsatz kommen. Damit geht nämlich auch einher, dass man nicht kontrollieren kann, ob die Gelder ankommen und bewirken, wofür sie gedacht sind.
Und zum anderen bezweifle ich, dass einzelne Maßnahmen effektiv sind und ihren Zweck erfüllen. Es gibt Programme, beispielsweise solche der Welthungerhilfe, die tatsächlich einem guten Zweck dienen und nach meinem derzeitigen Kenntnisstand auch erfolgreich sind. Aber es versickert auch viel Geld in bürokratischen Strukturen und bei Akteuren, die vorgeben, helfen zu wollen, sich in Wirklichkeit aber nur selbst bereichern.
In der Rede, die Sie ansprechen, habe ich ein Beispiel erwähnt: den Fall Grete Faremo. Sie ist eine norwegische Politikerin und war die Direktorin beim Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen (UNOPS). Diese Organisation innerhalb der Vereinten Nationen führt Entwicklungsprogramme durch. Unter der Leitung von Faremo kam es zu Misswirtschaft, Betrug und Korruption. Und aufgeflogen ist das Ganze nur durch einen Whistleblower, also durch jemanden, der Zugang zu internen Informationen hatte und diese öffentlich gemacht hat.
Wirksame Kontrollinstanzen gab es, wie erwähnt, nicht. Hier war man jahrzehntelang zu nachlässig, und deshalb muss es auch endlich grundlegende Änderungen geben. Ein Anfang wäre – wenn wir beim Fall Faremo bleiben wollen – zum Beispiel damit gemacht, dass die Kapazitäten des UN-eigenen Rechnungshofs, des sogenannten Board of Auditors, erweitert würde und dass Deutschland seine Zahlungen an die UN fortan unter diese Bedingung stellte.
Zur Person
Michael Espendiller wurde 1989 in Leonberg in Baden-Württemberg geboren. Nach der Schule studierte er Mathematik und Volkwirtschaftslehre in Münster, promovierte an der RWTH Aachen. Seit 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und war bis 2019 Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion. Er ist Mitglied im Haushaltsausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(Mira Knauf)