Beschluss im Bundestag Neue Corona-Regeln
Eric Matt
3 G in Bussen und Bahnen, keine pauschalen Schulschließungen mehr: Gestern beschloss der Bundestag neue Corona-Regeln und auch der Bundesrat gab grünes Licht. Was jetzt kommt und worüber die Abgeordneten stritten, lest ihr hier.
In Deutschland breitet sich die vierte Corona-Welle rasant aus. Seit Beginn der Pandemie infizieren sich so viele Menschen wie noch nie – teilweise über 60.000 an einem Tag. Das muss gestoppt werden, meint die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages und stimmte gestern für ein neues Gesetz. Auch der Bundesrat, die Vertretung der Bundesländer, gab am heutigen Freitag grünes Licht.
Neu eingeführt wird zum Beispiel bundesweit die 3G-Regelung (geimpft, genesen, getestet) am Arbeitsplatz und in Bussen und Bahnen – ausgenommen sind kleine Kinder und auch die Schülerbeförderung. Für Heime und Gesundheitseinrichtungen gelten künftig Testpflichten. Die Länder können auch weiterhin Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum anordnen. Was sie nicht mehr veranlassen können: generelle Schließungen von Schulen, Geschäften, Gastronomie oder Sportstätten.
Den Entwurf für das neue Gesetz hatten die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP geschrieben und auch noch verändert: Damit beendeten sie die sogenannte „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, die bisher formal Grundlage für die meisten Corona-Maßnahmen war. Stattdessen stellten sie einen Katalog von Maßnahmen zusammen, mit dem die Bundesländer in Eigenregie schärfere Corona-Regeln festlegen können. Das Vorgehen fanden nicht alle Fraktionen gut.
Was ist das Gesetz zur „epidemischen Lage“?
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 ist alles anders – auch juristisch: In Deutschland herrscht eine sogenannte „epidemische Lage nationaler Tragweite“. Dadurch übertrug der Bundestag besondere Befugnisse an die Bundesregierung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dies sollte dabei helfen, das Coronavirus einzudämmen und die Pandemie besser in den Griff zu bekommen.
Erstmals stellte der Bundestag am 25. März 2020 eine solche epidemische Lage fest – die seitdem viermal verlängert wurde. Da mittlerweile rund 70 Prozent der Bevölkerung geimpft oder genesen sind, ist umstritten, ob man weiterhin von einer „epidemische Lage nationaler Tragweite“ sprechen kann. Denn durch diese gesetzliche Corona-Notlage wurden die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger teilweise massiv eingeschränkt. Dazu zählten beispielsweise flächendeckende Ausgangssperren, Schulschließungen oder das Verbot von Gottesdiensten.
Ampel: Konkrete Regeln statt alter Notlage
SPD, Grüne und FDP argumentierten nun, dass solche Grundrechtseinschränkungen nicht mehr – Achtung Juristensprache – verhältnismäßig seien. Das bedeutet, dass Grundrechtseingriffe, wie beispielsweise Ausgangssperren für Geimpfte oder Genesene, zu drastisch sein könnten.
Denn ein solcher Eingriff stehe nicht im Verhältnis dazu, welche Gefahr tatsächlich von diesen Personen ausgehen könnte. Daher brachten die wohl zukünftigen Partner der Ampelkoalition ein Gesetz ein, das die Corona-Notlage ab dem 25. November beendet und stattdessen andere, mildere Maßnahmen ermöglicht. Grundlage dafür ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Was bleibt und was ändert sich?
Die gesetzliche Notlage ist beendet, die tatsächliche Notlage aber bleibt groß. Daher gelten auch zukünftig die altbekannten Corona-Regeln: beispielsweise Hygienemaßnahmen, Abstandsgebote oder Maskenpflicht. Bundes- und landesweite Lockdowns aber soll es nicht mehr geben, regionale und zeitlich beschränkte Lockdowns in Ausnahmefällen hingegen schon. Diese würde dann aber nur für Ungeimpfte gelten.
Während manches wegfällt, kommen einige neue Regeln dazu. Dazu gehört, dass nun erstmals bundesweit die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet) am Arbeitsplatz sowie in Fern- und Nahverkehr gilt. Wer also zukünftig ins Büro gehen will oder mit Bus und Bahn fährt, der muss die 3G-Regel beachten – und bei einem Verstoß womöglich eine Geldstrafe zahlen. Daher gibt es nun auch wieder für jeden und jede einen kostenlosen Bürgertest pro Woche. Außerdem soll überall, wo es möglich ist, auf Homeoffice umgestellt werden. Die Menschen sollen also von zu Hause aus arbeiten.
Was noch?
Weiter geöffnet bleiben Freizeiteinrichtungen wie Restaurants, Theater, Kinos oder Fitnessstudios. Je nach Infektionslage aber können die Bundesländer eine 2G-Regel (geimpft oder genesen) oder gar 2G-Plus-Regel (geimpft oder genesen UND getestet) vorschreiben.
Letztendlich beschloss der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Insgesamt stimmten dabei 398 Abgeordnete mit „Ja“ und 254 Abgeordnete mit „Nein“, während es 36 Enthaltungen gab. Vor der Abstimmung jedoch kam es zu einer hitzigen Debatte im Plenarsaal des Bundestages.
SPD: „Corona kennt keine Grenzen“
„Wir reagieren mit den notwendigen und rechtssicheren Maßnahmen auf die sehr schwierige Corona-Lage“, erklärte die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar. Würde man weiterhin an der Corona-Notlage festhalten, dann sei dies „verfassungsrechtlich problematisch und epidemiologisch fragwürdig“. Das neue Gesetz jedoch sorge für eine größere Rechtssicherheit und erleichtere den Kampf gegen das Virus. Als Beispiel dafür nannte sie eine mögliche Home-Office-Pflicht (also zu Hause arbeiten) oder 3G-Regeln in Bus, Bahn und am Arbeitsplatz. Dittmar appellierte an die Abgeordneten: „Corona kennt keine Länder- und Parteigrenzen. Daher bitte ich um ihre Zustimmung.“
CDU/CSU: „Das kann nicht gut gehen“
„Die Lage ist hochdramatisch. Die vierte Welle hat unser Land mit voller Wucht erfasst und wir steuern auf einen schweren Winter zu“, sagte Stephan Stracke von der CDU/CSU-Fraktion. So steige die Sieben-Tage-Inzidenz (Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner in den letzten 7 Tagen) weiter und viele Krankenhäuser stießen bereits an ihre Grenzen. Das Gesetz der Ampel-Fraktionen jedoch werde der „Dramatik der Lage nicht gerecht“.
Stracke plädierte dafür, bei den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin für eine Corona-Impfung zu werben. „Impfen ist der Weg aus der Pandemie. Es macht den entscheidenden Unterschied“, so der CDU/CSU-Abgeordnete. Dennoch seien weitere Maßnahmen erforderlich, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Die „Links-gelbe Koalition“ aber mache mehrere Fehler: Sie beende die notwendige Corona-Notlage, nehme den Bundesländern Handlungsspielräume und verhindere auch eine enge Abstimmung. Strackes Fazit: „Sie haben keinen Plan für diese Pandemie.“
Grüne: „Wir befinden uns in einer Notsituation“
Katrin Göring-Eckhardt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kommentierte: „Das was gerade in unserem Land passiert ist dramatisch und es wird noch dramatischer werden. Wir befinden uns in einer Notsituation.“ Die Fraktionsvorsitzende sprach sich daher für ein schnelles und gemeinsames Handeln von Politik und Gesellschaft aus. Kritik aus der CDU/CSU-Fraktion wies sie zurück: Diese hätte in der Vergangenheit all die geforderten Maßnahmen selbst beschließen können.
„An diesem Tag erwarten die Menschen in unserem Land zurecht, dass wir uns hier zusammenreißen und handeln. Das erwarte ich auch von ihnen“, erklärte Göring-Eckhardt. Die Grünen-Abgeordnete forderte „einen Schutzwall im öffentlichen Leben. Besonders dort, wo es um Kinder und Jugendliche geht.“
FDP: „Scharfes Schwert gegen die Pandemie“
„Corona ist nicht vorbei. Corona war immer gefährlich und es war immer unsere Haltung, diese Gefahr zu bekämpfen“, bemerkte der FDP-Abgeordnete Marco Buschmann. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Corona-Notlage nun ende. Denn durch das Gesetz trete ein „neues Maßnahmenpaket an die Stelle eines alten Maßnahmenpaketes“. Schließlich müsse es um tatsächliche Maßnahmen gehen und nicht bloß um deren Namen, denn diese hätten „nichts mit der Wirklichkeit zu tun“.
Die Behauptung, das neue Gesetz schränke die Handlungsfähigkeit der Bundesländer ein, sei „objektiv falsch“. Außerdem sei es nun möglich, Kontaktbeschränkungen im öffentlichen sowie privaten Leben zu verhängen. „Wer der Meinung ist, dass das kein scharfes Schwert gegen die Pandemie sei, dem kann man nicht helfen“, so Buschmann. Er beendete seine Rede: „Es geht heute nicht um Union oder Ampel. Es geht darum, unser Land zu schützen.“
AfD: „Sie erschüttern unsere Demokratie“
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla kritisierte, dass die „Ampel-Parteien mit der panischen Politik der letzten zwei Jahre“ nahtlos weiter machten. Sowohl die alte als auch die womöglich neue Bundesregierung hätten sich vom Grundgesetz abgewendet und wollten „die faktische Impfpflicht durch das Parlament peitschen“.
Die aktuelle Regierung spalte seit zwei Jahren die Gesellschaft und mache nun die Ungeimpften zu „Sündenböcken“ für die steigenden Infektionsraten. Chrupalla fragte: „Ist es nicht verwunderlich, dass es bei einer Impfquote von nahezu 70 Prozent keine Entspannung gibt? Liegt es nicht doch an den Versäumnissen der Bundesregierung?“. Er sprach sich dafür aus, wirksame Medikamente zu finden. „Hören sie endlich auf, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Sie erschüttern damit das Vertrauen in unsere Demokratie“, kommentierte Chrupalla.
Linke: „Was für eine desaströse Bilanz“
„Offensichtlich ändert das Coronavirus seine Gefährlichkeit in Abhängigkeit davon, wer regiert“, sagte Dietmar Bartsch von der Fraktion Die Linke. So hätten noch im Juni dieses Jahres SPD und Grüne bei einer Inzidenz von 19 für eine Verlängerung der epidemischen Lage gestimmt. Nun aber liege die Inzidenz bei über 300 – und beide Fraktionen stimmten dagegen.
Bartsch forderte, nun tatsächlich zu handeln, anstatt nur zu reden. In den letzten Monaten aber sei zu wenig passiert. Die Noch-Regierung habe sich „in den Sommerschlaf begeben“: Noch immer seien es zu wenige Luftfilter in den Schulen, es gebe 4000 Intensivbetten weniger und auch die Impfkampagne sei nicht erfolgreich genug. „Was für eine desaströse Bilanz“, so Bartsch.
Wie ging es weiter?
Dem im Bundestag verabschiedeten Gesetz stimmte am heutigen Freitag der Bundesrat einstimmig zu. Eine Mehrheit in der Länderkammer galt wegen der Kritik der Länder, in denen CDU/CSU an der Regierung beteiligt sind, nicht als sicher.
Zurück zur gestrigen Debatte im Bundestag: Die Bundestagsabgeordneten stimmten auch über einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion und über weitere Oppositionsanträge ab. Jedoch fand keiner der Vorschläge eine Mehrheit.
Die komplette Debatte seht ihr hier im Video, nachlesen könnt ihr sie auf bundestag.de.
Eric Matt
... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.