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Deutsche Einheit Linke wollen Ossi-Quote

Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es kaum Ostdeutsche an der Spitze von Justiz, Wirtschaft oder Hochschulen. Die Linke will das mit einer Quote ändern. Ein großes Problem sehen dabei die anderen Fraktionen.

Tja, das ist die Frage. Und wie man das definiert. © dpa

Für die innere Einheit

Kommt nach der Frauenquote jetzt die "Ossi-Quote"? Die Linksfraktion will, dass Ostdeutsche stärker in Bundesbehörden vertreten sein sollen, damit sich auch die Menschen in den östlichen Bundesländern "anerkannt und vertreten fühlen". "Die bislang herrschende strukturelle westdeutsche Dominanz trägt zu Verdrossenheit in Ostdeutschland bei", heißt es in dem Antrag. Die anderen Fraktionen konnten sich dafür in der Debatte am 15. März aber nicht begeistern.

Linke verweist auf Grundgesetz

Dr. Gregor Gysi (Die Linke) verwies auf den Artikel 36 des Grundgesetzes, der verlangt, dass bei den obersten Bundesbehörden Beamte aus allen Ländern in angemessener Weise vertreten sein sollen. "Der Bundestag und die Bundesregierung lassen sich von diesem Artikel nicht leiten, sie verletzen das Grundgesetz", kritisierte Gysi. Es könne nicht sein, dass 30 Jahre nach dem Mauerfall in elf von 14 Bundesministerien nicht ein Abteilungsleiter aus dem Osten komme. Aber "wer die innere Einheit will, muss endlich gleiche Chancen und Lebensverhältnisse in Ost und West, in Nord und Süd schaffen, sonst nimmt man die Einheit nicht ernst", erklärte Gysi.

Regierung: Was genau ist ostdeutsch?

Christian Hirte (CDU/CSU), Beauftragter der Bundesregierung für die ostdeutschen Bundesländer, machte klar, dass die Ost-Quote nicht funktionieren könne. Es stimme zwar, dass es zu wenig Ostdeutsche in Führungspositionen gebe. Aber: Wer soll denn definieren, wer "ostdeutsch" ist, fragte er. Muss man im Osten leben, um ein Ossi zu sein, oder von dort stammen oder müssen schon die Eltern und Großeltern Ostdeutsche gewesen sein? Und was ist, wenn man im Osten zwar geboren ist, aber schon als Kleinkind per Umzug zum Stuttgarter wurde? Hirte meinte, man müsse die (Personal-)Verantwortlichen vor Ort für diese Thematik sensibilisieren, denn in den nächsten zehn Jahren werde es altersbedingt einen großen Austausch von Führungskräften im Osten geben. Das sei eine riesige Chance.

AfD: Behörden in Osten umsiedeln

Dr. Anton Friesen (AfD) äußerte sich überhaupt nicht zur Ost-Quote. Seine Fraktion hat nämlich noch einen anderen Vorschlag, wie dem zum Teil personalpolitisch benachteiligten Ostdeutschland zu helfen sei. Mehr als 90 Prozent der Bundesbehörden lägen im Westen des Landes und entgegen den Behauptungen der Bundesregierung seien auch keine weiteren Ansiedlungen im Osten geplant. In einem eigenen Antrag – der während der Debatte mitdiskutiert wurde – verlangt die AfD, bestehende Behörden in die östlichen Bundesländer zu verlagern. Sein Kollege Enrico Komning bemängelte zwar auch das seltene Vorkommen der Ostdeutschen auf den Chefsesseln, will aber keine Quote, weil die AfD grundsätzlich gegen Quoten sei.

SPD: Führt zu Demokratieverdruss

Elisabeth Kaiser (SPD) kritisierte ebenfalls, dass nach wie vor zu wenig Personal in den Führungsetagen aus dem Osten komme und verwies darauf, dass dadurch der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet sei: "Denn in Spitzenpositionen nicht vertreten zu sein oder sich dort nicht vertreten zu fühlen, führt bei einigen Ostdeutschen zu Verdruss über die deutsche Einheit, bis hin zu Wut gegenüber unserem demokratisch verfassten Staat." Eine Quote sieht sie aber auch skeptisch und setzt ebenfalls auf Hirtes Strategie: Ossis einstellen, wenn die Wessis demnächst in Rente gehen.

FDP: Definition fehlt

Linda Teuteberg (FDP) stellte ebenfalls fest, dass die Ostdeutschen in den Führungsgremien zu selten vorkommen – und lehnte die Ost-Quote ebenfalls ab. Denn eine Quote setze voraus, juristisch zu definieren, wer ostdeutsch sei. Dies sei aber unrealistisch, sagte sie.

Grüne erklären die Geschichte

Auch Claudia Müller (Bündnis 90/Die Grünen) hat ein Problem mit der Ossi-Definition, weshalb eine Ost-Quote nicht der richtige Weg sei, um den bestehenden Mangel zu beheben. Sie unternahm einen Ausflug in die Geschichte und zeigte, warum überall Wessis auf den Chefsesseln sitzen: Nach der Wiedervereinigung sei quasi über Nacht ein neues Rechtssystem im Osten eingeführt worden, nämlich das der alten Bundesrepublik. Da habe man die damit vertrauten Beamten aus dem Westen gebraucht. Aber das sei nun 30 Jahre her und es gebe keine Begründung mehr dafür, dass Ostdeutsche so selten in leitenden Funktionen vertreten seien.

Union zweifelt an Qualifikation

Marian Wendt (CDU/CSU) brachte das Argument, das auch gerne gegen eine Frauenquote ins Feld geführt wird und fragte: "Widerspricht eine Quote nicht dem eigenen Ehrgeiz?" Es wolle sich doch kaum jemand nachsagen lassen, nicht wegen seines Könnens, sondern wegen einer Quote eine bestimmte berufliche Position erreicht zu haben. Eine Quote gehe auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei, denn sie ignoriere in Zeiten des Fachkräftemangels die tatsächlichen Bedürfnisse der regionalen Arbeitgeber, zu denen Bundesbehörden ja auch gehörten, so Wendt.

Die Anträge landen nun erst mal im zuständigen Ausschuss, die komplette Debatte seht ihr hier.

(DBT/ah)

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