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Mr Wissen2go „Ich bin skeptisch“

Helene Fuchs

Youtube, Instagram & Co: Was bedeutet die geplante EU-Reform für Plattformen und Nutzer? Das hat Helene den Youtuber MrWissen2Go gefragt. Er sagt: Die Richtung stimmt. Einen Punkt sieht er jedoch besonders kritisch.

Mirko Drotschmann vor Greenscreen

Mirko Drotschmann findet eine sachliche Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen wichtig. Das Ende von Youtube sieht er nicht kommen. © Schmott Photographers/Mirko Drotschmann

Auf Deutschlands Schulhöfen geht das Gerücht um, in diesem Jahr würden viele Youtube-Kanäle engagierter Creators dichtgemacht, mancher glaubt gar, Youtube werde insgesamt gelöscht. Und schuld daran sei die EU. Was ist da dran?

Nein, Youtube wird nicht gelöscht. Es geht hier um eine Richtlinie des Europäischen Parlaments. Damit soll das geistige Eigentum und die Leistung von Menschen auch im Internet geschützt werden, dafür will die EU klare Regeln einführen. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Zukunft schwieriger und teurer für die Betreiber von Plattformen wie Youtube wird.

Der EU geht es um den Schutz des Urheberrechts. Was ist das eigentlich?

Das Urheberrecht ist – vereinfacht gesagt – das Recht am eigenen geistigen Eigentum. Das heißt, wenn ich zum Beispiel ein Foto geschossen oder einen Song produziert habe, dann 'gehören' mir diese Werke. Niemand darf sie ohne meine Genehmigung verwerten. Wenn ich so ein Foto von mir auf einem Blog online stelle, dann ist es verboten, dieses Foto einfach runterzuladen und an eine Fotodatenbank zu verkaufen. Es sei denn, ich habe das vorher genehmigt. Das Urheberrecht gewährleistet, dass geistiges Eigentum geschützt ist.

Die EU möchte, dass etwa Videos mit Verletzungen des Urheberrechts gar nicht erst auf Plattformen landen. Kritiker befürchten, dass dadurch Inhalte geblockt werden, auch Memes, Cover oder Parodien. Wie schätzt du die Lage ein?

Ich glaube, so wie der EU-Vorschlag formuliert ist, lässt er sehr viel Raum für Interpretation. Ich finde es wichtig, dass das Urheberrecht reformiert wird und ich finde einiges, was da in dieser Richtlinie steht, gut und wichtig.

Es gibt jedoch einen Artikel der EU-Richtlinie, den ich sehr kritisch sehe. Das ist Artikel 13. Er sieht vor, dass Portale wie Youtube oder Instagram Inhalte vor der Veröffentlichung auf Verstöße gegen das Urheberrecht überprüfen müssen. Diese Kontrolle kann durch sogenannte "Upload-Filter" geschehen. Das sind Filter, die Videos oder andere Inhalte automatisch nach geschützten Inhalten – also etwa Songs oder Textpassagen – durchsuchen.

Und wo ist das Problem?

Ich bin skeptisch, ob das so funktioniert und nicht doch Inhalte gelöscht werden, die eigentlich ok sind. Außerdem entsteht dadurch zumindest theoretisch die Möglichkeiten der Zensur: Regierungen oder Unternehmen könnten Filter nutzen, um missliebige Inhalte zu entfernen. Trotz allem glaube ich nicht, dass sich zum Beispiel Youtube völlig verändern wird.

Youtube ist ein privates Unternehmen, das Geld verdienen möchte. Es hat selbst eine Informationskampagne zu den EU-Plänen gemacht. Ist das eine reine PR-Aktion oder der Versuch, das freie Internet zu retten?

Youtube gehört zu Google und Google ist ein Konzern, der unsere Daten wie kaum ein anderer sammelt und mit Algorithmen Einfluss darauf nimmt, was wir überhaupt online sehen. Dass genau der sich jetzt als Retter des freien Internets aufspielt, ist eigentlich ein Witz.

Wichtig ist: Es geht vor allem darum, dass im Netz urheberrechtlich geschützte Werke illegal angeboten werden. Das ist nicht okay. Das freie Internet bedeutet nicht, das alles kostenlos ist, sondern dass Leute ihre Meinung sagen dürfen.

Du betreibst mit MrWissen2Go einen sehr erfolgreichen Kanal mit mehr als 800.000 Abonnenten. Was hältst du für den größten Nachteil und wichtigsten Vorteil der geplanten Änderung?

Das Wichtigste ist, dass Menschen auch im Internet für ihr geistiges Eigentum und ihre Leistung entlohnt werden und es dafür klare Regeln gibt. Schwierig ist natürlich, dass eigentlich für jede Plattform eigene Lösungen gefunden werden müssen, weil es in der konkreten Umsetzung vor allem um Details geht. Außerdem sehe ich an den momentan geplanten Regelungen den Nachteil, dass zu viel Interpretationsspielraum ist und man die Vorgaben theoretisch missbrauchen könnte.

Wie siehst du deine Rolle als Youtuber in der Debatte?

Ich versuche vor allem, die Emotionen aus der Debatte herauszunehmen und Sachlichkeit einzubringen. Die ganze Aufregung ist ja durch ein Video ausgelöst worden, in dem es hieß, Youtube würde es bald nicht mehr geben. Dabei hat man sich auf eine einzige Quelle gestützt, nämlich auf Aussagen der Youtube-Chefin Susan Wojcicki, die einfach als Fakt dargestellt wurden. Mir war es wichtig, in einem Video beide Seiten aufzuzeigen.

Dein Video von November zum Thema hat über eine Millionen Views. Gerade hast du ein Update zu Artikel 13 hochgeladen: Was sagt deine Community dazu?

Die meisten sehen es ähnlich wie ich: Man sollte nichts überinterpretieren und nicht zu emotional reagieren. Auf der anderen Seite sollte man aber auch nichts herunterspielen. Ich habe auch häufig von Zuschauern gehört, die meinten, sie seien sehr unsicher gewesen und hätten nicht gewusst, was sie von dem Thema halten sollten. Die fühlten sich besser informiert und wollten auch selbst weiter recherchieren. Das hat mich besonders gefreut.

Du bist einer der wenigen Youtuber, der die EU-Reform gelassen sieht. Wie gehen deine Kollegen damit um?

Es haben sich sehr viele Youtuber bei mir gemeldet und sich für das Video und die Infos bedankt. Klar gab es auch Kritik, aber ich habe schon gemerkt, dass es einen großen Bedarf an Informationen gab und gibt. Momentan herrscht eine große Verunsicherung, was ich gut verstehen kann. Man muss jetzt einfach abwarten, wie es weitergeht. Das EU-Parlament muss noch abstimmen und es kann auch noch zu Änderungen kommen.

Die Reform soll auch Creators wie dich stärken. Wie würde sie deine alltägliche Arbeit beeinflussen?

Für meine eigene Arbeit wird sich nicht so viel ändern. Die Richtlinie schützt mich aber davor, dass meine Videos irgendwo anders kostenpflichtig angeboten werden. Das ist mir tatsächlich schon einmal passiert. Ich erhoffe mir aber vor allem, dass es mit der Reform ein größeres Bewusstsein dafür gibt, wie viel geistiges Eigentum eigentlich wert ist.

Über Mirko Drotschmann:

Mirko Drotschmann (MrWissen2go), 32, ist Historiker und Journalist und erklärt seit 2012 auf Youtube Geschichte, Politik und das Tagesgeschehen. In diesem Video erzählt er, was es mit Artikel 13 der EU-Urheberrechts-Richtlinie auf sich hat und in diesem liefert er ein Update zur aktuellen Situation.

Helene Fuchs

Mitmischen-Autorin

Helene Fuchs

studiert Recht und Politik

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