Abgeordnete Gleichheit per Gesetz?
Vor 100 Jahren durften Frauen zum ersten Mal wählen – und im aktuellen Bundestag sitzen so wenige Frauen wie schon lange nicht mehr. Abgeordnete ziehen Bilanz und streiten über den Weg zu mehr Gleichberechtigung.
"Die Geschichte ist noch nicht fertig"
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal mit abstimmen. Was geht Ihnen anlässlich der aktuellen Feierlichkeiten durch den Kopf?
Beeindruckend, was Frauen gegen viel Widerstand erkämpft und erreicht haben. Davon haben wir als Gesellschaft sehr profitiert. Aber die Geschichte ist noch lange nicht fertig. Unsere Vorkämpferinnen sind für das Wahlrecht auf die Straße gegangen, haben es ausgehalten, von Männern beschimpft zu werden. Vor dem Mut dieser Frauen habe ich heute noch allergrößten Respekt.
Aber auch 100 Jahre später sind wir von Gleichberechtigung in den Parlamenten und Parteien weit entfernt. Ich kämpfe heute dafür, dass sich das ändert. Da geht es einerseits um Quoten für Listen oder Positionen, andererseits um Inhalte. Es geht um die Berücksichtigung der Interessen von Frauen wie Männern gleichermaßen. Hier sind wir noch lange nicht am Ziel.
Im aktuellen Bundestag sind so wenige Frauen vertreten wie zuletzt vor 20 Jahren: Nur 31 Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Für Sie in Ordnung oder nicht?
Nein, das ist ganz und gar nicht in Ordnung – weder für mich noch für alle Frauen in Deutschland, die mit solch einem niedrigen Anteil nicht angemessen repräsentiert werden. Denn der Frauenanteil in der Politik liegt weit unter dem Frauenanteil in der Bevölkerung. Frauen sind damit weniger in politische Entscheidungsprozesse eingebunden und haben entsprechend weniger Mitbestimmungsrechte.
Die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen und müssen auch dementsprechend in der Politik vertreten sein. Damit wäre eine breitere und vielfältigere Perspektive auch in der Politik sichergestellt und die Vielfältigkeit der Bevölkerung besser repräsentiert.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind? Kürzlich haben Politikerinnen von CDU und SPD wieder eine Frauenquote für deutsche Parlamente ins Gespräch gebracht. Was halten Sie von einer gesetzlichen Regelung?
Die Strukturen in der Politik sind so, dass sie für alle gut passen. Und die wichtigsten und mächtigen Positionen sind in den meisten Parteien von Männern besetzt. Hier müssten sich auf jeden Fall etwas verändern. Dazu braucht es nicht allein gesetzliche Änderungen sondern gute Lösungen wie beispielsweise die Frauenquote, die es bei uns Grünen ganz selbstverständlich gibt. Auf unseren Wahllisten werden abwechselnd Frauen und Männer gewählt. Darum sind bei den Grünen immer mindestens 50 Prozent Frauen im jeweiligen Landesparlament oder im Bundestag.
Was sollen die Parteien Ihrer Meinung nach noch tun?
Parteien sollten sich sehr viel besser um weiblichen Nachwuchs kümmern wie mit Mentoring- Programmen. Einsteigerinnen können so gut unterstützt, qualifiziert und motiviert werden und trauen sich dann auch mehr Verantwortung, aber auch Posten, zu. Darum geht es oft. Darüber hinaus muss die Vereinbarkeit von Politik und Familie gefördert werden. Dazu gehören familienfreundliche Sitzungszeiten und die Option auf Kinderbetreuung. Die Haltung, endlich den alten und starren Rollenbildern aktiv entgegenzuwirken, würde sehr viel zum Positiven ändern.
Auch ein Paritätsgesetz, wie es Frankreich zum Beispiel hat, also eine gesetzliche Verpflichtung der Parteien zu einer gleichberechtigte politischen Teilhabe der Geschlechter, könnte Verbindlichkeit herstellen. Es ist jetzt der richtige Moment, um über Paritätsgesetze zu diskutieren. Derzeit sind bei Verbänden und Wissenschaftlern eine ganze Reihe von Ansätzen im Gespräch. Ein solches Gesetz sollte ermöglichen, dass Wähler die Wahl haben, Kandidaten nach einem bestimmten Verfahren zu wählen und gleichzeitig eine gerechte Verteilung zu erreichen.
In einer Festrede sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich "Das Ziel muss doch Parität sein. Parität überall". Ist das auch Ihr Ziel?
Ja, Parität ist definitiv das Ziel. Der aktuelle Frauenanteil im Deutschen Bundestag ist insgesamt viel zu niedrig. Verursacher sind die eher konservativen Parteien. Sie sorgen nicht aktiv dafür, dass es genügend Frauen als Kandidatinnen in den Wahlkreisen und auf den Wahllisten gibt. Das führt dazu, dass der Anteil der Frauen in manchen Fraktionen weit unter 20 Prozent liegen.
Bei uns Grünen, die ihre Wurzeln auch aus der Frauenbewegung haben, ist es anders. In der Grünen Bundestagsfraktion sitzen derzeit 39 Frauen und 28 Männer. Dem Beispiel könnten andere Parteien folgen. Denn so, wie es mit knapp 30 Prozent Frauenanteil gerade ist, kann es nicht bleiben. Fehlt die weibliche Hälfte unserer Gesellschaft im Bundestag, dann kann die Arbeit unseres Parlaments der Lebensrealität unseres Landes nicht genügen. Auch der Blick ins Ausland zeigt, dass der politische Wille entscheidend ist.
Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Wir machen uns deshalb jetzt auf den Weg und starten eine Initiative. Wir wollen, dass es im Parlament zwischen den Fraktionen und mit zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Prozess gibt, der aktiv nach Lösungen sucht. Wir wollen jetzt gemeinsam handeln mit dem Ziel: mehr Frauen in Politik und Parlamente. Hundert Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts wollen wir nächste Meilensteine setzen.
Über Ulle Schauws:
Ulle Schauws, geboren 1966, ist seit 2013 für die Grünen im Bundestag. Die Film- und Fernsehwissenschaftlerin ist Stellvertretende Vorsitzende und Obfrau des Familenausschusses. Ihr Wahlkreis ist Krefeld II - Wesel II in Nordrhein-Westfalen.
"Sorgearbeit bleibt an Frauen hängen"
Frau Zimmermann, bei den Wahlen zur Nationalversammlung vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal mit abstimmen. Was geht Ihnen anlässlich der aktuellen Feierlichkeiten durch den Kopf?
Das Frauenwahlrecht ist für uns heute selbstverständlich. Aber vor 100 Jahren war das ein politisches Erdbeben. Die so genannte Novemberrevolution, also ein großer gesellschaftlicher Umbruch, machte es möglich. Das Frauenwahlrecht war ein großer Schritt hin zur Gleichstellung von Frauen. Allerdings bedeutet Gleichheit zwischen den Geschlechtern sehr viel mehr. Solange das Geschlecht noch Einfluss darauf hat, welche Erwartungen andere Menschen an uns richten oder welche Chancen wir im Leben haben, solange gibt es keine Gleichheit.
Es fängt an mit "nur für Mädchen, nur für Jungs". Es geht damit weiter, dass Frauen und Männer unterschiedliche Berufe ausüben. Frauen verdienen im Schnitt 21 Prozent weniger als Männer, selbst bei gleicher Tätigkeit immer noch 6 Prozent. Die wichtigen Positionen in Deutschland sind immer noch meist von Männern besetzt. Deshalb wünsche ich mir heute einen neuen Aufbruch wie 1918. Die Geschichte zeigt uns: Dazu muss die gesamte Gesellschaftsordnung in Bewegung kommen.
Im aktuellen Bundestag sind so wenige Frauen vertreten wie zuletzt vor 20 Jahren: Nur 31 Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Für Sie in Ordnung oder nicht?
Dass nicht einmal mehr ein Drittel der Bundestagsmitglieder Frauen sind, ist für mich ein großer Rückschritt. Ich sehe das in einem größeren Zusammenhang: Beispielsweise hatte die AfD bei der letzten Bundestagswahl Erfolg, obwohl oder gerade weil sie die Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen beschneiden will. Ihre Abgeordneten sind ganz überwiegend männlich. Wenige weibliche Abgeordnete gibt es auch in der Fraktion der CDU und CSU. Diese Parteien sind zwar weniger rückschrittlich als die AfD, wollen aber an den Geschlechterverhältnissen in Deutschland nichts Grundlegendes verbessern.
Zusammen haben die drei Parteien bei der letzten Wahl 45,5 Prozent der Stimmen erhalten. Insofern ist die Zusammensetzung des Bundestags ein Spiegel der Gesellschaft. Trotzdem könnte man ganz konkret im Bundestag etwas tun. Die Linke macht es vor: Bei uns werden die Listenplätze auf den Wahllisten immer abwechselnd von Männern und Frauen besetzt. Das könnte man durch Gesetz für alle Parteien so regeln.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind? Kürzlich haben Politikerinnen von CDU und SPD wieder eine Frauenquote für deutsche Parlamente ins Gespräch gebracht. Was halten Sie von einer gesetzlichen Regelung?
Die Gründe dafür sind vielfältig. In allen Parteien – auch in meiner – sind weniger Frauen als Männer Mitglieder. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Sorgearbeit in der Familie immer noch meist an Frauen hängen bleibt, sodass Frauen weniger frei verfügbare Zeit haben.
Außerdem ist es in der Politik nicht anders als in Wirtschaftsunternehmen: Wo Männer an den Schaltstellen der Macht sitzen, ist der Aufstieg für Frauen schwieriger. Das gilt gerade dort, wo starke Konkurrenz herrscht. Denn im Durchschnitt tun sich Männer erziehungsbedingt leichter damit, sich rücksichtslos durchzusetzen. Auch hier gilt: Wenn sich daran etwas ändern soll, dann muss sich die ganze Gesellschaft verändern. Trotzdem befürworte ich, wie schon erwähnt, eine Frauenquote, um den Prozess zu beschleunigen.
In einer Festrede sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich: "Das Ziel muss doch Parität sein. Parität überall". Ist das auch Ihr Ziel?
Ja, auch wenn die Bundeskanzlerin und ich unterschiedliche Vorstellungen von den Wegen zu diesem Ziel haben. In einer Gesellschaft, in der das Geschlecht nicht mehr über die Möglichkeiten im Leben entscheidet, wäre doch zu erwarten, dass Frauen und Männer überall in etwa gleich stark – also paritätisch – vertreten sind. Tatsächlich sieht es aber völlig anders aus, denn wir leben noch nicht in einer solchen Gesellschaft. Deshalb müssen wir gegen festgefahrene Geschlechterrollen ankämpfen, die Menschen in ihren Lebensentwürfen einengen.
In der Regel ist es schwieriger, in einem Bereich Fuß zu fassen, in dem das andere Geschlecht überwiegt. Schon bei der Berufswahl fehlen die Vorbilder, an denen sich junge Menschen orientieren können. Außerdem entscheiden diejenigen, die schon Leitungspositionen bekleiden – überwiegend Männer –, über Berufszugänge und Beförderungen. Daher muss man auch rechtliche Regeln schaffen, um Parität zu gewährleisten.
Über Sabine Zimmermann:
Sabine Zimmermann, 58 Jahre alt, sitzt seit 2005 für Die Linke im Bundestag. Sie ist Vorsitzende im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Außerdem ist sie Mitgleid im Auschuss für Tourismus. Ihr Wahlkreis ist Zwickau.
"Quote ist nicht ambitioniert genug"
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal mit abstimmen. Was geht Ihnen anlässlich der aktuellen Feierlichkeiten durch den Kopf?
Für mich ist das Frauenwahlrecht eine historische Errungenschaft und eines der wichtigsten Ereignisse für unsere Demokratie. Der Kampf um die Gleichberechtigung reicht natürlich noch viel länger zurück. Wenn ich auf die heutigen Verhältnisse schaue, dann verstehe ich aber auch, dass es noch viel zu tun gibt. Wir Freien Demokraten wollen, dass Gleichbehandlung gelebt wird. Und da gibt es einige Erfolge, auf die unsere Gesellschaft blicken kann. Unser Land wurde in den vergangenen 13 Jahren von einer Frau geführt.
Für Mädchen und junge Frauen ist es keine wilde Träumerei, wenn sie sich vorstellen, auch mal eine Regierung anzuführen. Lasst uns gemeinsam optimistisch in die Zukunft schauen. Die Entwicklung bis heute gibt uns Anlass dazu. Eine Bundeskanzlerin oder gar Bundespräsidentin lag vor ein paar Jahrzehnten außerhalb der Vorstellungskraft. Inzwischen ist es selbstverständlich, dass Frauen gleiche Aufgaben wie Männer übernehmen können.
Im aktuellen Bundestag sind so wenige Frauen vertreten wie zuletzt vor 20 Jahren: Nur 31 Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Für Sie in Ordnung oder nicht?
Ich wünsche mir, dass sich der Frauenanteil in Zukunft nachhaltig deutlich erhöht. Genau deswegen müssen wir den richtigen Weg finden. Die meisten Vorschläge, die ich in der letzten Zeit gehört habe, wollen aus meiner Sicht nur an den Symptomen herumdoktern. Sie wollen gleichmachen, ohne grundlegend etwas zu verändern. Wir müssen uns auf die Ursachen konzentrieren. In der Parteiarbeit brauchen wir Zielvorgaben und Modernisierung.
Indem wir uns gemeinsam mehr anstrengen, können wir die vielen engagierten Frauen, die Lust auf Politik haben, ermutigen sich einzubringen. Durch veränderte Strukturen können wir sie darin bestärken, zu kandidieren. Ein zentraler Aspekt ist die Vereinbarkeit von Familie und Politik. Nächtelange Sitzungen sowie mehrtägige Wochenendtermine hindern viele daran, sich mehr einzubringen. Hier müssen wir aus meiner Sicht nicht nur moderne Technologien nutzen, sondern auch unsere Arbeitsweisen neu denken.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind? Kürzlich haben Politikerinnen von CDU und SPD wieder eine Frauenquote für deutsche Parlamente ins Gespräch gebracht. Was halten Sie von einer gesetzlichen Regelung?
Kurzfristig würde eine Quote den Anteil der Frauen in den deutschen Parlamenten wahrscheinlich erhöhen. Das halte ich jedoch für nicht ambitioniert genug, sofern sich nicht grundlegend unsere Kultur verändert. Die Idee hinter der Quote ist, den Menschen vorzuschreiben, wer der richtige Kandidat ist. Als Liberaler habe ich große Probleme mit dieser Haltung. Wir müssen eine andere politische Kultur und eine richtige Ansprache entwickeln. Durch so ein faires Umfeld ermöglichen wir es, dass deutlich mehr Frauen ihren politischen Weg gehen.
Was schlagen Sie vor?
Als Freie Demokraten setzen wir auf die individuelle Qualifikation und Leistung. Mit Selbstverpflichtungen und klaren Zielvorgaben können wir mehr erreichen. Gleichzeitig gehört zu einer neuen Politikkultur aber auch, dass wir mit den traditionellen Bildern brechen. Frauen können jedes Ressort besetzen – auch die vermeintlich "klassischen". Sabine Leutheusser-Schnarrenberg ist da ein mustergültiges Beispiel. 1992 leitete sie als erste Frau das Bundesjustizministerium.
In einer Festrede sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich "Das Ziel muss doch Parität sein. Parität überall". Ist das auch Ihr Ziel?
Nein, mein Ziel ist nicht eine erzwungene Parität, sondern eine Veränderung der Strukturen und der politischen Kultur in den Parteien. Mein Ziel ist Chancengerechtigkeit. Das kann man eben nicht durch Quoten erreichen. Als Partei haben wir uns das gleichberechtigte Debattieren und miteinander Reden als Leitmotiv gesetzt. Wir wollen passende Rahmenbedingungen schaffen, damit alle ihr eigenes Potential voll entfalten können. Wir wollen keine festgelegten Rollen der Geschlechter. Wir wollen alle – Frauen wie Männer – ermutigen, sich für eine liberale und weltoffene Gesellschaft zu engagieren
Über Grigorios Agglidis:
Grigorios Aggelidis, 53 Jahre alt, sitzt seit 2017 für die FDP im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie im Unterschausschuss Bürgerliches Engagement. Sein Wahlkreis ist Hannover-Land I.
Von der AfD-Fraktion lag bis Redaktionsschluss kein Statement vor. Sobald es vorliegt, wird es veröffentlicht.
"Natürlich erleben Frauen auch im Bundestag Diskriminierung"
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal mit abstimmen. Was geht Ihnen anlässlich der aktuellen Feierlichkeiten durch den Kopf?
Ich muss dabei immer an Marie Juchacz (1879 - 1956) denken. Sie war die erste Frau – und übrigens Sozialdemokratin – die vor 100 Jahren im Reichstag über das Frauenwahlrecht gesprochen hat. Ihre Rede von damals inspiriert mich bis heute. Besonders eine Stelle finde ich sehr wichtig und versuche nach diesen Leitsätzen meine Ideen zu dem Thema umzusetzen: "Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, dass wir Frauen dieser Regierung nicht etwa (...) Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."
Im aktuellen Bundestag sind so wenige Frauen vertreten wie zuletzt vor 20 Jahren: Nur 31 Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Für Sie in Ordnung oder nicht?
Ich würde mir wünschen, dass es deutlich mehr Frauen in den Parlamenten gäbe. 31 Prozent ist eine enttäuschende Quote. Da wären aber auch die Parteien in der Pflicht gewesen, mehr Frauen für die Bundestagswahl als Kandidatinnen aufzustellen. In meiner Partei ist das Verhältnis schon relativ gut und darüber freue ich mich sehr.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind? Kürzlich haben Politikerinnen von CDU und SPD wieder eine Frauenquote für deutsche Parlamente ins Gespräch gebracht. Was halten Sie von einer gesetzlichen Regelung?
Ich denke, Frauen trauen sich manchmal weniger zu, dabei haben sie der Politik sehr viel zu bieten. In meinem Wahlkreis setze ich mich dafür ein, dass mehr Frauen diesen Schritt wagen. Denn gerade heute können Frauen ihren Wunsch nach Familie verfolgen und trotzdem beruflich sehr weit kommen. Die Quote soll den Frauen die gesetzliche Grundlage bieten, sich besser durchsetzen zu können. Denn natürlich erleben Frauen auch im Bundestag Diskriminierung; da ist die Politik nicht besser als der Rest der Welt.
In einer Festrede sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich "Das Ziel muss doch Parität sein. Parität überall". Ist das auch Ihr Ziel?
Ja, denn nur so können wir in einer Demokratie leben und diese auch richtig vertreten. Ich bin optimistisch, dass die Zahl der Frauen in politischen Positionen in den nächsten Jahren wieder deutlich wachsen wird.
Über Sönke Rix:
Sönke Rix, 43 Jahre alt, sitzt seit 2005 für die SPD im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sein Wahlkreis ist Rendsburg-Eckernförde.
"Ein komplett auf Gleichheit ausgelegtes Wahlsystem wäre nicht umsetzbar"
Bei den Wahlen zur Nationalversammlung vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal mit abstimmen. Was geht Ihnen anlässlich der aktuellen Feierlichkeiten durch den Kopf?
Anlässlich der Feierlichkeiten zu 100 Jahren Frauenwahlrecht geht mir besonders der lange Kampf um die Einführung von Frauenrechten durch den Kopf, welcher bis heute noch nicht überall auf der Welt abgeschlossen ist. In einigen Ländern wurde das Männerwahlrecht bereits sehr früh – in den USA beispielsweise 1789 – eingeführt. Das allgemeine Frauenwahlrecht ist allerdings erst sehr spät – in den USA zum Beispiel 1920 – durchgesetzt worden.
Noch heute dürfen Frauen in Saudi-Arabien beispielsweise nur bei Kommunalwahlen wählen – und das auch erst seit 2015. Man sieht also, dass wir hier in Deutschland mit 100 Jahren bereits sehr viel erreicht haben, aber wir uns immer noch für eine Gleichberechtigung von Männern und Frauen weltweit einsetzen müssen.
Im aktuellen Bundestag sind so wenige Frauen vertreten wie zuletzt vor 20 Jahren: Nur 31 Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Für Sie in Ordnung oder nicht?
Es ist bedauerlich, dass im heutigen Bundestag nur so wenige Frauen sitzen. Auch wenn ich dafür bin, dass nicht das Geschlecht, sondern die Qualifikation über die Wahl in den Bundestag entscheiden sollte, würde ich mich freuen, in Zukunft noch mehr Frauen zu meinen Kolleginnen zählen zu dürfen. Positiv sehe ich aber zum Beispiel, dass sechs von 15 Bundesministern und die Bundeskanzlerin weiblich sind. Hier ist die Quote also deutlich höher.
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Frauen in der Politik immer noch unterrepräsentiert sind? Kürzlich haben Politikerinnen von CDU und SPD wieder eine Frauenquote für deutsche Parlamente ins Gespräch gebracht. Was halten Sie von einer gesetzlichen Regelung?
Es ist schwierig zu verstehen, warum heute wieder weniger Frauen als in den letzten 20 Jahren im Deutschen Bundestag sitzen. Dies liegt unter anderem daran, dass bei einer neu eingezogenen Partei nur jeder zehnte Abgeordnete weiblich ist. Aber auch in meiner Fraktion sitzen im Vergleich relativ wenige Frauen.
Zudem spielt eine Rolle, dass viele Abgeordnete bereits seit einer langen Zeit im Bundestag sitzen. Nur 38 der 111 Abgeordneten, welche seit mehr als 20 Jahren im Bundestag sitzen, sind weiblich. Dennoch bin ich kein Freund von vorgeschriebenen Quoten, um die Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen.
Es ist vielmehr sinnvoll, dass die Wählerinnen und Wähler, sowohl in den Parteien, als auch bei der Bundestagswahl denjenigen Kandidaten unterstützen, welcher am besten qualifiziert ist. Hierbei sind auch die Parteien auf der kleinen Ebene, wie der Stadt oder dem Landkreis, gefragt, gute Kandidaten geschlechtsunabhängig aufzustellen.
In einer Festrede sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich "Das Ziel muss doch Parität sein. Parität überall". Ist das auch Ihr Ziel?
Ich halte sehr viel von Parität im politischen Sinne. Zum Beispiel werden die demokratischen Gremien in unseren Schulen und an unseren Universitäten nach dem "Gleichheitsprinzip" besetzt. Im Schulvorstand sitzen so zum Beispiel genauso viele Schüler und Eltern, wie Lehrer. So können wir garantieren, dass alle ihre Meinungen äußern können und keine wichtige Gruppe übergangen wird.
Wie soll aber ein paritätisches Parlament aussehen? Eine Geschlechtergleichheit könnte bedeuten, dass 50 Prozent der Bundestagsabgeordneten weiblich sein müssen. Dies lässt sich aber schlecht mit dem Wahlsystem vereinbaren, dass sowohl eine Erststimme und eine Zweitstimme vorsieht.
Welche Konsequenzen hätte das Ihrer Meinung nach?
Wenn wir von Parität sprechen, müssen wir auch schauen, ob wir auch Religionsgerechtigkeit und Altersgerechtigkeit im Parlament durchsetzen wollen. Sollen wir zukünftig vorschreiben, dass eine bestimmte Prozentzahl der Abgeordneten katholisch, evangelisch, muslimisch, jüdisch, buddhistisch oder atheistisch sein muss? Sollen wir vorschreiben, dass genauso viele junge, wie alte Menschen im Bundestag sitzen?
Ein komplett auf Gleichheit ausgelegtes Wahlsystem würde sehr kompliziert werden und nicht umsetzbar sein. Insofern sollten wir lieber die basisdemokratischen Elemente in unseren Parteien stärken, auf mehr Gleichberechtigung bei der Postenbesetzung hinwirken und dem Wähler die Wahl lassen den- oder diejenigen zu wählen, den oder die er als am besten für das Amt geeignet ansieht. Vor diesem Hintergrund kann ich der Aussage der Bundeskanzlerin in dieser Form und mit Blick auf das Parlament nicht zustimmen.
Über Maik Beermann:
Maik Beermann, 37 Jahre, sitzt seit 2013 für die CDU im Bundestag. Er ist Obmann im Ausschuss Digitale Agenda sowie Schriftführer im Bundestag. Außerdem ist der Sparkassenbetriebswirt Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sein Wahlkreis ist Nienburg II - Schaumburg Niedersachsen.