70 Jahre Menschenrechte Gleiche Würde, gleiche Rechte
Sie gelten immer und für alle Menschen auf der Welt: die Menschenrechte. Zu ihrem 70. Jubiläum fand eine Debatte im Bundestag statt. Könntet ihr Artikel 1 zitieren?
Minister: Menschenrechte sind zentral
"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen." So lautet Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Das Bekenntnis zu den Menschenrechten ist der "Kern dessen, was unsere Gesellschaft zusammenhält", erklärte Außenminister Heiko Maas (SPD) am 13. Dezember im Bundestag im Rahmen einer vereinbarten Debatte. Wer das nicht erkenne oder wer das nicht für richtig halte, der stelle sich "außerhalb unserer Gesellschaft".
Alle Bundestagsfraktionen würdigten die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor 70 Jahren als große Errungenschaft. Von einer Fraktion gab es kritische Töne, andere meinten, auch in Deutschland sei es mit den Menschenrechten nicht zum Besten bestellt – dazu später mehr. Überdies haben da selbst einige EU-Mitgliedsstaaten noch ganz andere Probleme. Maas forderte deshalb die Einrichtung eines Mechanismus auf EU-Ebene, mit dem Mitgliedsländer bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen bestraft werden können.
Kleine Geschichte der Menschenrechte
Die Idee, dass alle Menschen ein paar gemeinsame Grundrechte haben, ist natürlich nicht erst 70 Jahre alt. Sie kursierte schon in Zusammenhang mit der Gründung der Vereinigten Staaten und mit der Französischen Revolution 1789. Die Erklärung der Menschenrechte durch die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im Jahre 1948 ist jedoch eine direkte Reaktion auf die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs – hier war offensichtlich geworden, dass Menschen unter bestimmten Umständen zu den größten Barbareien gegenüber ihren Artgenossen fähig sind.
Die Verhandlungen über die Menschenrechte waren aber schon wieder von einem neuen Konflikt überschattet – dem zwischen Ost und West. Deshalb kam am Ende auch kein völkerrechtlich bindender Vertrag heraus, auf den sich alle einigen konnten. Und deshalb ist die Zustimmung der Staaten zur Erklärung der Menschenrechte bis heute eine unverbindliche moralische Absichtserklärung geblieben.
Was genau sind Menschenrechte?
Die Staaten der Welt äußern also mit der Menschenrechtserklärung die Absicht, jedem Menschen, unabhängig von "Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand" bestimmte Rechte zuzugestehen. Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf Leben und Freiheit, das Diskriminierungsverbot, das Verbot von Folter und Sklaverei, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber auch das Recht auf Asyl, auf Eigentum, auf Arbeit, auf Erholung und Freizeit.
Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit 48 Ja-Stimmen, null Gegenstimmen und acht Enthaltungen verabschiedet. Nachlesen könnt ihr sie hier.
AfD: Keine "linksgrüne Hypermoral"
Jürgen Braun (AfD) bezeichnete die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als eines der "großen Dokumente" der Menschheit. Heute bestehe jedoch die Gefahr, dass der Begriff der Menschenwürde "für alles und jeden" missbraucht werde, um zum Beispiel im Namen einer "linksgrünen Hypermoral" zu glauben, mit deutschem Geld die Welt genesen lassen zu können.
Union: Menschenrechte gelten für alle
Michael Brand (CDU/CSU) glaubt, bei der Entwicklung der Menschenrechte an "gewaltige Erfolge". Allerdings gelte es, wachsam zu bleiben: Weltweit würde zunehmend Menschenrechts-Standards scheibchenweise infrage gestellt oder im Namen vermeintlicher Sicherheitsinteressen von Staaten mit Füßen getreten.
Brand betonte insbesondere, dass Menschenrechte stets für alle gelten: "Das heißt, dass wir sie denen nicht absprechen, die nicht so sind wie wir." Es sei kein Zufall, dass Menschlichkeit und Toleranz zuverlässig diejenigen provoziere, "die die Mühen eines menschlichen Miteinanders nicht auf sich nehmen wollen". Einfacher ausgedrückt: Menschenrechte sind eben nicht zum Nulltarif zu haben, mitunter muss man seine Komfortzone auch mal verlassen.
FDP: Vorbild für Überwachungsstaaten?
Gyde Jensen (FDP) lenkte den Fokus auf einige ganz spezielle Menschenrechte: Das Recht auf Privatheit und andere Grundrechte seien durch staatliches Ausspähen, Datensammeln oder Sperren von Netzwerken und Nachrichtenseiten in Gefahr. Jensen ist der Meinung, dass deutsche Gesetze das Vorbild für die Totalüberwachung der Menschen in China seien – zum Beispiel das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. "Wir machen etwas falsch, wenn Diktaturen sich an unseren Überwachungsgesetzen ein Beispiel nehmen", so die Abgeordnete.
Linke: Konzerninteressen vor Menschenrechten?
Zaklin Nastic (Die Linke) lenkte den Blick auf Kinder- und Altersarmut und soziale Ungleichheit in Deutschland. Die Tatsache, dass weltweit 840 Millionen Menschen hungern würden, liege schlicht daran, "dass vor den Menschenrechten die Konzerninteressen stehen", meinte sie außerdem. Als Beispiel nannte Nastic die Firma Rheinmetall, die über Tochterfirmen weiter "Mordwerkzeuge" nach Saudi-Arabien liefere. "Menschenrechte und Rüstungsexporte vertragen sich nicht."
Grüne gegen Abschiebepolitik
Margarete Bause (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Erklärung als "eine der größten Errungenschaften unserer Zivilisation". Die Menschenrechte gehörten nicht in die Vitrine oder ins Museum. "Sie müssen täglich neu verteidigt werden, hier bei uns und weltweit." Und dazu, so auch Bause, passen Rüstungsexporte eben nicht. Sie kritisierte außerdem die Abschiebepolitik der Bundesregierung.
SPD: Menschenrechte auch in Europa bedroht
Gabriela Heinrich (SPD) bezeichnete die Erklärung der Menschenrechte als "Zäsur", zählte dann aber einige Beispiele auf, die zeigen, dass es bei den Menschenrechten nicht überall gut bestellt ist. Auch nicht in Europa, denn "zentrale Werte wie die Gleichheit aller Menschen werden offen infrage gestellt. Zu beobachten ist das auch in Ungarn, in Polen, in Italien und bei Rechtspopulisten in Österreich und Deutschland." Dem müssten wir uns entgegenstellen, in Deutschland wie in Europa.
Was Fraktionen fordern
Neben den Erklärungen der Fraktionen lagen übrigens auch drei Entschließungsanträge auf dem Tisch. Ganz im Sinne ihrer Redebeiträge forderte die FDP die Regierung unter anderem auf, sich für Menschenrechte und besonders für das Recht auf Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit einzusetzen. Die Grünen möchten, dass sich die Regierung für eine menschenrechtsbasierte Außen- und Flüchtlingspolitik der Europäischen Union einsetzt und die Linken wollen unter anderem die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit und Armut in Deutschland zu bekämpfen.
(DBT/ah)