Abgeordnete „Das waren super Erfahrungen“
Sie hat selbst in Schweden und Italien studiert: Ronja Kemmer (CDU/CSU) über die Erfolge des Erasmus-Programms, die Brexit-Folgen und Krisen-Mechanismen in Corona-Zeiten.
Das Erasmus-Programm der Europäischen Union (EU) fördert seit 33 Jahren Auslandsaufenthalte von Studenten, inzwischen auch von Schülern und Azubis. Lässt sich der Erfolg messen?
Ja, unbedingt. Im Jahr gehen ungefähr 50.000 Studenten, Schüler und Azubis mit Erasmus ins Ausland. Ungefähr 1,3 Millionen junge Leute haben insgesamt schon davon profitiert. Erasmus ist sicher eins der erfolgreichsten Programme der EU.
Sie haben selbst ein Erasmus-Semester in Schweden studiert. Was hat Ihnen das gebracht?
Das war natürlich sprachlich und fachlich spannend, vor allem war es aber auch für meine persönliche Entwicklung wichtig. Sich als junger Mensch mal in einem fremden Land durchschlagen zu müssen, mit einer fremden Sprache, einer fremden Umgebung, das bringt einen unheimlich weiter. Ich bin später auch noch mal nach Italien gegangen während des Studiums. Das waren wirklich super Erfahrungen, die ich auf gar keinen Fall missen möchte.
Welche Konsequenzen hat der Brexit – kann ich jetzt nicht mehr mit Erasmus in Großbritannien studieren?
Zumindest bis Ende des Jahres geht das noch, so lange dauert die Übergangsphase. Für die Zeit danach laufen derzeit Gespräche mit Großbritannien, wie man diesen Austausch fortsetzen kann. Da geht es nicht nur um Erasmus, sondern allgemein um den Bereich Bildung und Forschung auf europäischer Ebene. Für Studenten geht es ganz konkret auch um Fragen etwa nach Studiengebühren oder BAföG im Ausland.
Die AfD möchte, dass sowohl Großbritannien als auch die Schweiz, die das Programm 2015 verlassen hat, als Partnerländer erhalten bleiben beziehungsweise wiedergewonnen werden. Eine gute Idee?
Klar: Je mehr Länder an dem Programm teilnehmen, desto besser. Das gilt auch für die sogenannten Drittländer in Europa, die nicht Teil der EU sind. Wie gesagt finden Gespräche mit Großbritannien – und auch mit der Schweiz – ja schon statt. Man tut also viel dafür, dass diese Länder in Zukunft dabei sein können.
Aber dass die AfD es in ihrem Antrag so darstellt, als sei das ganze Programm ohne diese beiden Länder hinfällig, halte ich für falsch. Es ist ja auch etwas ironisch, dass ausgerechnet die Partei, die den Brexit bejubelt hat, jetzt das Ausschneiden Großbritanniens aus dem Erasmus-Programm kritisiert.
Das Erasmus-Programm läuft dieses Jahr aus, eine Verlängerung ab 2021 ist geplant. Was ist Ihnen bei der Weiterentwicklung wichtig?
Wir wollen, dass noch mehr junge Leute über Erasmus gefördert werden und dass man den Fokus dabei auch noch stärker auf Auszubildende richtet. Das ist auch das Ziel der EU.
Darüber hinaus gibt es wichtige organisatorische Fragen zu klären. Da geht es zum Beispiel um Semesterzeiten oder um die Anerkennung von Prüfungen, die man im Ausland abgelegt hat.
Welche Auswirkungen hat aktuell die Corona-Krise auf die jungen Leute, die im Austauschjahr sind?
Der Hochschulbetrieb ist ja leider in den meisten Ländern gerade auf Eis gelegt. Die Universitäten sind geschlossen, es finden keine Schülerfahrten statt und auch die Austauschprogramme sind ausgesetzt. Insofern kommt der Austausch aktuell größtenteils zum Erliegen. Junge Leute, die noch im Ausland sind, müssen natürlich die dortigen Anweisungen befolgen. Zum Glück sind sie ja über das Programm EU-weit gut abgesichert, was zum Beispiel die Krankenversicherung angeht. Wir haben mit Corona eine umfassende Krise, die vielleicht auch ein Stück weit die Verwundbarkeit des Europas der offenen Grenzen zeigt.
Sollte man solche Krisen-Situationen bei der zukünftigen Planung stärker berücksichtigen?
Das muss man ganz sicherlich. Aber das geht natürlich weit über Fragen von Austausch-Programmen hinaus. Wir müssen uns mit unseren Krisen-Mechanismen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens beschäftigen. Ich finde, es ist aktuell ein positives Zeichen, dass man Solidarität mit den europäischen Nachbarländern zeigt und sich gegenseitig hilft, indem man zum Beispiel Patienten aus Frankreich und Italien aufnimmt.
Über Ronja Kemmer
Ronja Kemmer, 30, sitzt seit 2014 für die CDU/CSU im Bundestag. Sie ist Obfrau in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz“ und Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie des Ausschusses Digitale Agenda. Außerdem ist sie Schriftführerin. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.
(jk)