Enquete-Vorsitzender „Da ist wohl noch Luft nach oben“
Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ hat Jugendliche online zu ihren Ausbildungserfahrungen befragt. Was ihn überrascht hat und was nun mit dem Input der jungen Leute passiert, erzählt Stefan Kaufmann (CDU/CSU).
Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ hat einen Monat lang Schüler und Azubis befragt. Was hat Sie am meisten überrascht?
Ich habe mich erst mal sehr gefreut, dass so viele junge Menschen engagiert und auch wirklich differenziert ihre Meinung eingebracht haben.
Die Umfrage ließ erkennen, dass viele Faktoren den Jugendlichen die Berufswahl erschweren. Da herrscht schon eine gewisse Orientierungslosigkeit. Überraschend war, dass viele Jugendliche das Gymnasium als zu altmodisch erachten, da es oft nur die Zukunftschancen im akademischen Bereich aufzeige und die duale Ausbildung gar nicht thematisiere.
Zum Thema „So finde ich einen Beruf mit Zukunft“ gab es ja besonders viele Beiträge. Was wünschen Jugendliche sich denn für die Berufsorientierung?
Nahezu durchgängig haben sie sich gewünscht, schon in der Schulzeit mehr praktische Erfahrungen zu sammeln, zum Beispiel in zwei oder drei Praktika in verschiedene Betriebe reinzuschnuppern. Am Ende der Schulzeit stehe man sonst vor einer großen Auswahl verschiedener Berufe und wisse nicht, was man werden will. Das wird natürlich durch die steigende Zahl neuer Berufe erschwert.
Ansonsten wünschen sie sich ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Beratungsangebot, besonders auch eine bessere Ausgestaltung der digitalen Informationskanäle. Da ist wohl noch Luft nach oben.
Was ist jungen Leuten wichtig bei der Berufswahl?
Am häufigsten wurde die Freude am Beruf genannt, aber auch die Zukunftssicherheit. Gerade im Hinblick auf den digitalen Wandel klagten viele über Zukunftsängste.
Die Möglichkeit der Weiterentwicklung war ein wichtiges Kriterium. Außerdem Aspekte wie die Qualität des Arbeitsgebers, das Arbeitsklima und der ideelle Wert einer Branche. Beispielsweise sind Klimaschutz und Nachhaltigkeit wohl durchaus Themen bei der Berufsentscheidung.
Auch das Thema „Das will ich lernen für meine berufliche Zukunft“ war beliebt. Wie zufrieden sind Schüler und Berufsschüler mit der Vorbereitung auf die Arbeitswelt in der Schule?
Insgesamt haben sich die Teilnehmer positiv gegenüber innovativen Lernmethoden geäußert. Sie erkannten darin ein Potenzial, besser auf die berufliche Zukunft vorbereitet zu werden. Und sie sahen auch die Chance, die Berufsschule durch digitales Lernen nachhaltiger zu gestalten. Aber leider werden wohl die digitalen Lehrmethoden noch viel zu selten genutzt. Die Jugendlichen sind davon überzeugt, dass die moderne Berufswelt digitale Kenntnisse voraussetzt. Mit der Vermittlung dieser Kenntnisse in der Schule sind sie eher unzufrieden.
Neben den digitalen Fähigkeiten wurden auch soziale und kommunikative Kompetenzen genannt, Fremdsprachenkenntnisse, Kreativität, berufliches Fachwissen und auch Alltagswissen, etwa im Bereich Versicherungen oder Steuer.
Was passiert jetzt mit den Ergebnissen der Umfrage? Wie werden sie in Ihre Arbeit einfließen?
Ich glaube unbedingt, dass wir von diesen Ergebnissen profitieren. Die Kammern sind in der Kommission ja durch Sachverständige vertreten, die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, die Berufsschulen ebenso – aber eben keine Jugendlichen. Insofern war das ein wichtiger Input.
Zunächst wurden die Ergebnisse in unserer letzten Sitzung vorgestellt. Wir haben sie ausführlich diskutiert. Sechs Jugendliche hatten dabei die Möglichkeit, ihre Sicht noch mal persönlich einzubringen.
Mein erster Eindruck ist schon, dass wir in der Kommission an den richtigen Fragen arbeiten. Gerade die Berufsorientierung ist für uns seit Beginn ein wichtiges Thema. Auch die digitale Ausstattung und die digitalen Lerninhalte. Insofern fühlen wir uns bestärkt durch die Umfrage-Ergebnisse.
Die Mitglieder Ihrer Kommission zerbrechen sich nun schon seit über zwei Jahren den Kopf darüber, wie Berufe in der digitalen Arbeitswelt erlernt werden und was besser laufen könnte. Was wird sich konkret durch Ihre Arbeit verändern – und wann?
Unser Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln – und zwar noch in dieser Legislaturperiode, also vor der parlamentarischen Sommerpause 2021. Unmittelbare Einwirkungen auf die Gesetzgebungen haben unsere Empfehlungen zunächst nicht. Aber wir gehen natürlich davon aus, dass sie in der nächsten Legislaturperiode herangezogen und in die Gesetzgebung einfließen werden.
Die aktuelle Corona-Situation hat sehr deutlich gezeigt, dass das Thema Digitalisierung wichtig ist und dass es in der Vergangenheit vernachlässigt wurde. Die Corona-bedingten Schulschließungen haben sowohl die Schüler und die Eltern als auch die Lehrer vor enorme Herausforderungen gestellt. Insofern passt das Thema unserer Enquete-Kommission jetzt noch besser in die Zeit. Ich gehe davon aus, dass bei allen Akteuren – von den Verbänden und Sozialpartnern bis hin zu den Bundesländern – ein großes Interesse besteht, hier tatsächlich voranzukommen. Deshalb bin ich optimistisch, dass unsere Empfehlungen dann auch nicht nur in der Schublade liegen bleiben, sondern wirklich getestet und umgesetzt werden.
Über Stefan Kaufmann
Dr. Stefan Kaufmann (50) sitzt seit 2009 für die CDU/CSU im Bundestag. Er ist Obmann seiner Fraktion im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und sitzt der Enquete-Kommission „Berufliche Bildung“ vor. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.
(jk)