E-Sport-Verein Gold, Geblitzt und Gewichtheben
Was läuft in einem E-Sport Verein? Lukas hat sich bei einem Berliner Zocker-Club umgehört und einiges über Strategien, Spielanalyse und Ausdauertraining erfahren. Und auch über einen Weihnachtswunsch.
Vorhänge zu, Chipstüte auf?
Stundenlanges Zocken bei geschlossenen Vorhängen mit zwei, drei Tüten Chips und einer großen Flasche Cola – so stellen sich viele Menschen E-Sport vor. So ist es aber nicht; beziehungsweise: so sollte es nicht sein.
"Wir wollen nicht, dass die Leute 16 Stunden vor ihren Rechnern vor sich hin vegetieren", sagt Felix Kluck, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des 1. Berliner E-Sport-Vereins. Wer in diesem Verein an einem Training teilnimmt, der erlebt auch Gemeinschaft, Teamwork und Mannschaftsgeist. Bevor sich die Spieler ihre Headsets auf den Kopf setzen und wie die Wilden auf ihren Mäusen herumklicken dürfen, geht es zuerst in eine Theoriestunde – und die kann auch mal länger dauern als die Spielzeit selbst.
Quietschbuntes Geblitze
Das Steckenpferd des Vereins, so Kluck, sei das Spiel League of Legends. Dabei schlüpfen zwei gegnerische Mannschaften in die Rolle von Fantasy-Wesen und gehen unter quietschbuntem Geblitze aufeinander los. Das sei am stärksten nachgefragt und vor allem gebe es gute Trainer für dieses PC-Game.
In der Theorieeinheit werden Strategien diskutiert und Maps studiert. Mit ganz einfachen Methoden – zum Beispiel mit Microsoft Paint – veranschaulicht der Trainer dort sinnvolle Spielzüge. Zum Beispiel malt er Pfeile auf, die zeigen sollen, wie man sich bewegen muss, damit man möglichst erfolgreich durch das Spiel kommt.
Viel Gold generieren
Im Anschluss werden dann Ziele formuliert: Der eine soll beispielsweise "innerhalb einer halben Stunde möglichst viel Gold generieren", der andere bekommt den Auftrag, "innerhalb einer Spieleinheit nicht sterben zu dürfen". Erst dann wird gespielt; ungefähr eine halbe Stunde lang. Danach folgen Replay und Analyse. Spieler und Trainer sehen sich das aufgezeichnete Spiel noch einmal an und sprechen dabei über den Spielaufbau, Fehlentscheidungen oder Stellungsprobleme – wie im Fußball beispielsweise auch.
"Wächst in alle Richtungen"
Die E-Sport-Szene in Deutschland "wächst in alle Richtungen", stellt Kluck fest. Deshalb sei es auch gut, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag versprochen habe, den E-Sport in Deutschland stärker zu fördern, meint er. Auch dass alle Fraktionen im Deutschen Bundestag fordern, dass E-Sport-Vereine mehr Unterstützung bekommen sollen, freut den 30-Jährigen. Wenn die Politik ihre Versprechen hält, dann wäre es zum Beispiel viel einfacher für seinen Verein, Sponsoren zu finden oder staatliche Gelder zu bekommen.
Eigenes Vereinsheim
Immerhin: der Traum vom eigenen Vereinsheim dürfte für die Berliner bald Wirklichkeit werden. Im Freizeitforum Marzahn, im Nordosten von Berlin, sollen Räumlichkeiten entstehen, in denen Vereinsmitglieder vor Ort trainieren können. Im Moment sei es nämlich oft so, dass Trainings nur online, also via Webcam, stattfinden. Kluck träumt von zwei Trainingsräumen, einem Büro und sanitären Anlagen – das würde erst einmal reichen, um die Ziele, die sich der Berliner E-Sport-Verein gesteckt hat, umsetzen zu können, meint er.
Gemeinsame Leidenschaft
Aber was sind das für Ziele? Kluck möchte "E-Sportlern die Möglichkeit geben, ihre Leidenschaft auszuüben – und zwar in einem sozialen Rahmen." Er wünscht sich, dass alle Mitglieder eine Gemeinschaft bilden, dass man gemeinsam Ideen für das Vereinsleben entwickelt und man vielleicht auch mal "zusammen eine Runde Squash" spielt.
Ungefähr 100 Mitglieder hat der Verein im Moment. Die meisten davon sind volljährig und männlich, erklärt Kluck. Um den Frauenanteil in der E-Sport-Szene zu erhöhen, arbeite man gerade an einer Strategie. Wie die genau aussieht, verriet Kluck aber nicht. Es sei außerdem sehr schwierig, Kinder via Internet zu trainieren: "Ich kann keinen 10-Jährigen online motivieren, das zu machen, was ich ihm sage", fährt er fort. Auch deshalb sei es so wichtig, ein Vereinsheim zu haben, wo man im direkten Kontakt mit den jungen Sportlern arbeiten könne.
Mitglieder anspornen
Motivation ist das A und O. Natürlich ist es essenziell, dass die Coaches die Spiele gut beherrschen, die sie anderen beibringen; viel wichtiger aber sei es laut Verein, dass sie die Fähigkeit haben, Menschen für den E-Sport zu begeistern. Schön wäre es, wenn die Leute nicht nur einmal zum Training erscheinen würden, sondern auch beim zweiten und dritten Mal wieder kämen, sagt Kluck. Der Verein hat hierfür auch schon mal eine Trainingsreise nach Magdeburg unternommen, auf der den Coaches beigebracht wurde, wie man Mitglieder anspornen kann, dabei zu bleiben.
Auch körperlich fit sein
Viele Sportvereine in Deutschland haben mittlerweile auch E-Sport-Abteilungen. Zum Beispiel der FC Schalke 04 und Hertha BSC. In diesen Vereinen müssen die Zocker auch regelmäßig Ausdauer- und Krafttrainings absolvieren. Auch für professionelle Computerspieler ist es wichtig, körperlich fit zu sein. "Es geht vor allem darum, den Puls durchzuhalten", weiß auch Kluck. "Wenn man einmal drei Stunden am Stück spielt, ist man danach platt."
Weihnachten im eigenen Heim
Der Berliner E-Sport-Verein will seinen Mitgliedern aber nicht vorschreiben, auch anderen Sport zu treiben. Sie sehen ihre Aufgabe vielmehr darin, die Spieler immer wieder daran zu erinnern, auf ihre Gesundheit zu achten und vielleicht auch mal eine Runde Basketball zu spielen. Neben dem neuen Vereinsheim, so Kluck, liege ein Fitnessstudio, mit dem sich vielleicht eine Zusammenarbeit ergebe.
Noch sind die Mietverträge für die neuen Räumlichkeiten des Vereins nicht unterschrieben. Kluck hofft aber, dass die Weihnachtsfeier in diesem Jahr schon dort stattfinden kann.
Lukas Stern