Medizinstudenten Helfen statt büffeln
Medizinstudenten trifft die Corona-Krise gleich doppelt: Für viele fallen die Prüfungen aus, gleichzeitig ist ihre Hilfe im Krankenhaus gefragt. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen.
Geschlossene Hörsäle, abgesagte Seminare, verschobene Prüfungen. Auch Studenten trifft die Corona-Krise schwer in ihrem Alltag. Zu viele Menschen gemeinsam an einem Ort, ob im Lehrsaal oder in der Mensa – das geht im Moment nicht mehr. Denn das oberste Gebot, um die Ausbreitung des sogenannten Sars-CoV-2-Virus in den Griff zu bekommen, lautet: Tritt mit so wenigen Menschen wie möglich in Kontakt! Genau aus diesem Grund sind auch überall in Deutschland seit Wochen die Unis zu.
Wer Medizin studiert, ist in diesen Tagen in einer ganz besonderen Lage, und zwar aus zwei Gründen. Um den ersten zu verstehen, muss man wissen, dass das Studium der Medizin normalerweise einem strengen Plan folgt. Normalerweise? Ja, normalerweise verläuft das Studium grob so: Nach etwa zwei Jahren legen Medizinstudenten ihre erste große Prüfung ab. Dann folgen weitere drei Jahre und die zweite große Prüfung. Anschließend gehen die Studenten ins sogenannte Praktische Jahr (PJ). Das heißt, sie arbeiten dann in einer Klinik mit und lernen grundlegende Handgriffe, um kranke Menschen richtig zu behandeln. Und erst wenn sie dieses PJ durchlaufen haben, kommt die dritte, mündliche Prüfung. Wer die dann besteht, bekommt seine Zulassung als Arzt, die sogenannte Approbation.
Kein Nachteil durch verschobene Prüfungen
Normalerweise stünde für viele Studenten in ganz Deutschland in diesem Frühling ihre zweite Prüfung an. Vielerorts wurde sie aber nun abgesagt. Denn ähnlich wie bei einer gewöhnlichen Klassenarbeit, bedeutet eine Prüfungssituation: Mehrere Menschen sitzen in einem Raum und brüten über den Aufgaben. Das ist gefährlich. Die Folge: Wer die Prüfung jetzt nicht ablegt, kann auch nicht ins PJ. Wenn sich die Prüfungen um ein Jahr verschieben, verschiebt sich alles andere auch um ein Jahr.
Um genau das zu verhindern, hat der Bundestag am Mittwoch, 25. März 2020, einem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zugestimmt. Darin steht, dass Medizinstudenten durch Corona keinen Nachteil für ihr Studium haben sollten. Die Idee ist nun, dass die jungen Arztanwärter ausnahmsweise von dem strengen Studienplan abweichen dürfen. Sie sollen jetzt schon ins Praktische Jahr gehen dürfen, obwohl sie die zweite Prüfung noch nicht abgeschlossen haben. Zwei Tage nach der Abstimmung im Bundestag billigte auch der Bundesrat den Entwurf. Das Gesetz trat anschließend in Kraft.
Zu viel Lernstoff auf einmal?
Mit der Lösung, die damit gefunden wurde, sind aber nicht alle einverstanden. Zum Beispiel kritisiert die Bundesvertretung der Medizinstudenten in Deutschland in einer Petition an den Bundestag folgendes: Verschiebt sich das Examen um ein Jahr nach hinten, dann liegt es zeitlich zu nah an der dritten Prüfung. Für Studenten hieße das: zu viel Lernstoff auf einmal.
Ob die Prüfungen stattfinden dürfen oder nicht, entscheiden in Deutschland die Bundesländer. Bayern und Baden-Württemberg haben beschlossen, sie abzusagen, in Nordrhein-Westphalen zum Beispiel sollen sie aber stattfinden – unter besonderen Schutzbedingungen. Auch diese Uneinheitlichkeit kritisieren viele. Viele Studenten fürchten jetzt, dass sie ihr PJ nur in dem Bundesland absolvieren können, in dem sie auch studieren.
Corona-Hilfe soll aufs Studium angerechnet werden
Neben diesem Hin und Her um die Prüfungen stehen Medizinstudenten auch aus einem anderen Grund vor einer besonderen Situation. Überall in Deutschland sind die Krankenhäuser durch die Corona-Krise so belastet wie selten zuvor. Auf jeden, der helfen kann, kommt es an. Der bereits genannte Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD sieht deshalb vor, "Medizinstudierende im Rahmen ihres Studiums stärker als bisher auch in der Versorgung einzusetzen".
Wer sich jetzt in einem Krankenhaus engagiert, zum Beispiel im Bereich der Pflege, dem soll das als Studienleistung angerechnet werden können. Eine Möglichkeit wäre, dass ein Einsatz in der Klinik für das Praktische Jahr anerkannt wird. Und zwar auch dann, wenn Studenten Aufgaben übernehmen, die ursprünglich nicht für das PJ vorgesehen sind. Ob, und wenn ja, in welcher Form, die studentische Mithilfe bei der Bekämpfung der Corona-Krise für das Studium angerechnet werden kann, wird jedes Bundesland selbst entscheiden. Da muss sich jeder Betroffene vor Ort erkundigen.